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Personal/Hintergrund  

Teil 2: Mit G. C. Foersters Hilfe will es Mizutani bei Olympia allen zeigen

Wohlbacher ist Privattrainer des japanischen Stars / Trainingsarbeit, Konkurrenzkampf und medialer Druck

Jun Mizutani nach dem Gewinn von Olympia-Bronze 2016 in Rio (4:1 im Bronze-Match gegen Vladimir Samsonov, Foto: ITTF)

G. C. Foerster sprach im ersten Teil über seine Freundschaft mit Jun Mizutani, wie er im Sommer Privattrainer des Weltklassespielers wurde und über Strukturen des japanischen Tischtennis. Im zweiten Teil geht es um den Kampf um den Einzelstartplatz bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio, um den dadurch rührenden (medialen) Druck und das Training mit der japanischen Nationalmannschaft.

Die Enttäuschung in der Bremer ÖVB Arena war riesig. Jun Mizutani hatte gerade sein Achtelfinale gegen Timo Boll verloren, aber nicht irgendwie. Mit 9:3 hatte der 30-jährige Japaner, der eine hoch negative Bilanz gegen den Deutschen aufweist, im entscheidenden siebten Satz geführt, bei 10:9 hatte Mizutani sogar einen Matchball, den Sieg praktisch auf dem Schläger. Doch Boll gewann die Partie mit 12:10. Was Mizutani ärgerte, war die Niederlage an sich, logisch, aber vor allem auch die verpassten Weltranglistenpunkte. Mizutani steht derzeit in einem harten Konkurrenzkampf mit seinem Nationalteamkollegen Koki Niwa. Es geht um nichts weniger als einen Einzelstartplatz für die Olympischen Spiele im eigenen Land. Tomokazu Harimoto hat seinen Platz sicher, Niwa und Mizutani konkurrieren um den zweiten und müssen in den kommenden Wochen bei den anstehenden Turnieren so viele Punkte wie nur möglich sammeln. Koki Niwa liegt im November-Ranking auf Rang 11, zwei Plätze vor dem Kollegen, viel Zeit bleibt Mizutani nicht – und er muss zudem auf Niederlagen Niwas hoffen, der im Gegensatz zu Mizutani beim World Cup Ende November viele Punkte sammeln könnte. „Wenn Koki Niwa einen starken World Cup spielt, wird es für uns fast unmöglich, an ihm vorbeizuziehen“, weiß G. C. Foerster. Die Entscheidung fällt bereits im Januar – nur die Weltrangliste zählt. Die Bronzemedaille, die Mizutani 2016 in Rio gewann und die in Japan so eine große Aufmerksamkeit für Tischtennis und ihn persönlich brachte, wird dann keine Rolle mehr spielen.

Knappe Niederlagen zuletzt tun weh

Angesprochen auf das Boll-Spiel bei den German Open, sagt Foerster: „Man muss auch erwähnen, dass Jun in dem Spiel praktisch schon tot war, Timo hatte mit 3:1 und 6:1 geführt. Bei der 9:3-Führung im siebten Satz wollte Jun weiter aggressiv spielen. Timo hat ihn dann ein paarmal gut ausplatziert, ihn in der weiten Vorhand erwischt und auch sonst sehr gute Bälle gespielt. Das Heim-Publikum tat sein Übriges. Die Niederlage war im Hinblick auf Olympia natürlich doppelt bitter.“ Es war nicht die erste bittere Niederlage in den vergangenen Wochen: Zuvor hatte Mizutani bereits im Achtelfinale der Czech Open gegen Patrick Franziska und gegen Quadri Aruna im Viertelfinale der Bulgaria Open jeweils nach eigenem Matchball noch verloren. Solche Niederlagen sähen Zweifel, rütteln am Selbstvertrauen.

Großer medialer Druck

Hinzu kommt: Dadurch, dass die Spiele 2020 im eigenen Land sind, ist die Aufmerksamkeit der Medien und Öffentlichkeit noch mal ungleich höher. „Da ist gehörig Druck auf dem Kessel“, betont Foerster. „Die Spieler versuchen sich das nicht anmerken zu lassen. Gerade für Koki und Jun ist das mental sehr anstrengend, je näher der Januar rückt, und du weiß, dass du dir quasi keine schlechte Leistung erlauben kannst.“  Weil die japanischen Spieler auf der Tour und in der Heimat sehr häufig von Kamerateams und Fotografen umringt sind, müssen sie stets die Contenance wahren. Ein Wutausbruch oder eine emotionale Entgleisung käme in ihrem Land, wo so viel Wert auf Höflichkeit gelegt wert, gar nicht gut an. Nach der Boll-Niederlage in Bremen schmiss ein verärgerter Jun Mizutani erst den einen Schuh weg; als er den zweiten wütend wegbefördern wollte, ging sein Coach dazwischen, redete auf ihn ein, dies jetzt nicht zu tun. Eine Kamera hätte die Szene voll drauf gehabt. „Für die Spieler ist das nicht leicht, sie werden oft von Kameras umringt. Das kann schon mal nervig sein, wenn du beim Essen im Restaurant ständig beäugt wirst, immer nur höflich sprechen, kerzengerade sitzen und dich den Konventionen entsprechend benehmen musst“, sagt Foerster. Die Medienaufmerksamkeit ist vor Tokio 2020 enorm. Foerster: „Neulich waren beim Training von Harimoto insgesamt fünf Kamerateams.“ Auf die Straße geht Jun Mizutani nur mit dem in Asien häufig getragenen Mundschutz und einer Cap. „Wenn er das nicht macht, wird er gleich belagert“, sagt Foerster.

Weniger Technik, mehr Taktik

Seit August arbeiten die beiden nun in der Trainingshalle zusammen oder fahren auf Turniere. Wo setzt Foerster bei einem Mann wie Mizutani an, der schon Olympia-Dritter war und zweimal die Grand Finals gewann? „Ohne Frage, Jun ist ein Weltklassespieler. Da gibt es technisch nicht mehr viel zu korrigieren, auch wenn es noch kleinere Mängel gäbe“, sagt Foerster. Dabei sei es Mizutani selbst, der weniger über die Technik reden möchte. „Jun hat mittlerweile einen anderen Blickwinkel auf Tischtennis, ihn interessiert viel mehr die Taktik. Zum Beispiel: Wo muss er den Ball hin platzieren, damit der Gegner nicht seine Schwächen anspielen kann. Ihn interessieren auch Wahrscheinlichkeiten, wohin die Gegner spielen werden, wie er sich bewegen und spielen muss, um die eigenen Schwächen zu vertuschen“, erklärt Foerster. Zudem sei viel Kopfarbeit nötig, Gespräche, es geht um Selbstvertrauen – wie so häufig im Tischtennis. „Jun braucht einfach Selbstvertrauen.“ Bis Tokio wolle er noch aggressiver spielen und an Auf- und Rückschlag arbeiten.

Mizutani trägt eine Spezialbrille

Das erste Hauptaugenmerk galt im Sommer aber Mizutanis Augen. Er hatte sich vor längerer Zeit beide Augen lasern lassen, bei dem einen gab es keine Komplikationen, das andere bereitete indes Sorgen. Mizutani bekam Probleme, wegen der Reflektionen von Hallenlicht und LED-Bande den Ball richtig zu erkennen. „Er hat eine schwere Zeit hinter sich und teilweise auch schlecht gespielt. Ich habe Spiele von ihm gesehen, wo er keine Rückhand getroffen hat“, erzählt Foerster. Etwas Abhilfe schuf eine neue Spezialbrille, mit der Mizutani auch bei den German Open spielte. „Dadurch ist es nicht optimal, aber schon deutlich besser. Mithilfe der Brille erkennt Jun die Bälle leichter“, sagt Foerster.

Neben der Taktik legt das Spieler-Trainer-Gespann großen Wert auf Fitness. Auf seinem Twitter-Account postet Mizutani häufiger Bilder, die ihn bei Übungen im Gym zeigen. Mehrfach ist auch das Foto einer Waage zu sehen, die sein aktuelles Gewicht zeigt, dass Step bei Step runterging. Muss Jun Mizutani an seiner Fitness arbeiten? „Die Japaner sind alles Maschinen. Wenn man sich alleine die Beine und die ausgeprägte Muskulatur anschaut“, sagt Foerster und ergänzt: „Jun hat einen super Körper, die Stabilität, Schnellkraft und Sprungkraft passen. Wir wollen ihn bis Tokio 2020 an den richtigen Stellen noch stärker machen.“ Mizutani selbst wolle es bei Olympia „noch mal allen zeigen und bei 100 Prozent sein“.

Training ist intensiv, die Übungen einfacher

Die Trainingsintensität in Asien ist generell sehr hoch, wobei – wie Foerster bestätigt – die Umfänge enorm, die Übungen an sich aber oft simpel sind. „In Europa werden oft deutlich kompliziertere  Übungen gespielt, das ist in Japan oder auch in China nicht so“, sagt er. Tomokazu Harimoto etwa spielt oft Rückhand-Rückhand-Duelle, ehe irgendwann der Wechsel in die weite Vorhand kommt und er dann gegenzieht. „Diese Übung spielt er schon mal eine halbe Einheit lang, dann noch Aufschlag-Rückschlag-erster Ball, das war’s“, berichtet Foerster über die andere Trainings-Philosophie. Eine Einheit gehe mindestens zweieinhalb Stunden lang, zwei Einheiten am Tag sind die Regel plus Konditionstraining. „Allein das Aufwärmprogramm, das die Japaner machen, bringt mich schon aus der Puste“, so Foerster, der ab und an als Sparringspartner Mizutanis fungiert. „Manchmal will er, dass ich mit ihm spiele, dann muss ich mich erst an das Tempo gewöhnen. Die Japaner spielen alle unheimlich schnell“, sagt Foerster, der auch mal mit Mima Ito ein paar Bälle machte. „Das war unfassbar, wie schnell die spielt.“ Er selbst trainiert von Zeit zu Zeit an einer Uni mit, ärgert die Japaner dann mit Tempo- und Spin-Wechsel, was seine Gegner oft nicht so kennen.

Mizutani Medaillenkandidat in Tokio

Auch wenn es derzeit noch ein Gerangel um den zweiten Einzelstartplatz gibt, sein Schützling wird bei den Spielen in Tokio in acht Monaten auf jeden Fall zum Einsatz kommen. Jun Mizutani und Mima Ito gelten sogar als Gold-Kandidaten im Mixed, und mit der Mannschaft möchte man vor eigenem Publikum China angreifen. „Die Japaner glauben daran, dass sie China schlagen können. Sicher ist es sehr schwer, aber mit einem Tomokazu und einem Jun in Topform sowie den eigenen Zuschauern im Rücken, sehe ich durchaus eine Chance“, sagt Foerster.

Im ersten Teil der Geschichte geht es darum, wie der frühere ESN-Mitarbeiter im Jahr vor Tokio 2020 an diesen Traumjob kam, welchen Stellenwert Tischtennis in Japan hat und wie G. C. dort lebt.

Zur Person: Gregor Clemens, genannt G. C., Foerster, geboren 1981 in Düsseldorf, hat einen niederländischen und einen deutschen Pass. Foerster war Mitglied des WTTV-Kaders, spielte im Westen in verschiedenen Vereinen bis zur 2. Bundesliga und für die Niederlande bei der Mannschafts-WM 2010 in Moskau. Sein aktueller TTR-Wert: 2195. In Bayern war er für den FC Tegernheim und den TSV Bad Königshofen aktiv und spielt seit 2012 für den Drittligisten TTC Wohlbach in Oberfranken. „Mein absoluter Lieblingsverein“, wie Foerster sagt. Zehn Jahre war er für den Belaghersteller ESN in Hofheim tätig, spielte bei Bayerischen Meisterschaften mit und erlangte im BTTV seine Trainer-Lizenz.

G. C. Foerster mit Mizutani bei den German Open in Bremen (Foto: Erik Thomas)

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