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TT-Zentrum München  

Reportage: Ein Frühtraining im LZ München

Die Kaderspieler trainieren mehrmals pro Woche vor Schulbeginn

8:00 Uhr. Ein trister, nasskalter Dienstagmorgen im September. Durch den Haupteingang der Gebrüder-Apfelbeck-Sportanlage im Münchner Stadtteil Milbertshofen geht es hindurch, die Treppe nach unten wie in einen dunklen Keller, an Umkleiden und Sporträumen vorbei. Mit jedem Schritt mehr werden die vertrauten Tischtennis-Geräusche deutlicher. Ein fortwährendes Klacken und Klicken gepaart mit einem Quietschen der Schuhsolen auf dem Hallenboden. Zwischendurch ein Stöhnen und Ächzen. Schon die Töne, die aus Halle 5, der Tischtennis-Halle kommen, verraten: Hier wird nicht bloß ein bisschen Ping Pong gezockt, hier wird hart gearbeitet.

Tischtennis und Schule besser verzahnen

Das Leistungszentrum in München, das zugleich einer von fünf Tischtennis-Bundesstützpunkten in Deutschland ist, zählt mittlerweile 14 Mitglieder. Ein Teil der besten Nachwuchstalente des Freistaats hat den Schritt in die bayerische Landeshauptstadt gewagt, um sich in erster Linie im Tischtennis zu verbessern und den Leistungssport besser mit der Schule zu koordinieren. Mit „Pionier“ Daniel Rinderer, der vor vier Jahren mit 14 seine niederbayerische Heimat Ruhmannsfelden verließ, fing alles an. Heute ist Daniel 18 Jahre alt, hat EM-Medaillen gewonnen, international viele Einsätze für Deutschland gehabt und spielt im vorderen Paarkreuz der 3. Bundesliga für den FC Bayern München. Die Anfangszeit sei sehr schwer gewesen, ein ums andere Mal wollte er hinschmeißen. „Persönlich war das sehr hart, ich kannte fast niemanden, hatte keine Freunde und Probleme in der Schule.“ Inzwischen ist der Niederbayer total angekommen, praktisch zu einem halben Münchner geworden und dient als Vorbild und Ansprechpartner für andere LZ-Mitglieder.

90 Minuten konzentriertes Training vor der Schule

An diesem Dienstag schlägt sich „Dani“ mit seinem Kumpel Petros Sampakidis die Bälle um die Ohren. Zweimal Rückhand aus der Rückhandseite, eine Vorhand aus der Rückhandseite, eine Vorhand auf Punkt aus der Mitte in die Mitte des Partners, nach dem vierten Ball soll Schluss sein, lautet die Vorgabe von Manuel Hoffmann. „3, 2, 1 und auf geht’s!“, ruft der Verbandstrainer. Intensität und Geschwindigkeit sind hoch. Es ist die erste Übung nach dem Warmmachprogramm, das aus Lauf- und Lockerungs-Übungen, Beweglichkeit und Schattentraining sowie dem klassischen Einspielen bestand. In 90 Minuten „Frühtraining“ ist nicht viel Zeit, die an diesem Tag elf Jungen und zwei Mädchen sind konzentriert und zielgerichtet bei der Sache. Business as usual. Fast jeden Morgen wird in Milbertshofen trainiert, nicht immer sind alle LZ-Mitglieder aus schulischen Gründen da. Im Schnitt kommen sie mit den Nachmittag-/Abendeinheiten auf sieben bis acht Einheiten pro Woche. Plus Krafttraining. Das Frühtraining ist mit der Schule abgestimmt. Die meisten LZ-Mitglieder besuchen das Gymnasium München Nord. Die „Eliteschule des Sports“ nimmt Rücksicht auf die sportliche Laufbahn, die Lehrkräfte bringen Verständnis auf, Schulstoff kann nachgeholt werden, für das Morgen-Training vor der Schule wird Zeit freigeschaufelt.

„Für mich war das eine große Umstellung“

"Für mich war es schon eine große Umstellung, vor allem öfter zu trainieren und länger Schule zu haben. Es ist schon anstrengender", sagt Luna Brüller. Die 15-Jährige, die für die TSG Thannhausen in der Regionalliga spielt, ist eine von vier LZ-Neulingen in dieser Saison und zusammen mit Lea-Marie Schultz (TuS Fürstenfeldbruck) die ersten weiblichen LZ-Mitglieder. Brüller spielt gerade eine Übung mit Jakob Schäfer vom TSV Bad Königshofen, ein weiterer München-Neuling. Der vierte Neue im Bunde ist Maximilian Dreher, ebenfalls vom TSV Bad Königshofen.

„Vorher war es schwierig, weil meine Eltern mich ja immer zum Training fahren mussten. Das fällt in München weg und ich kann so noch öfter und noch besser trainieren“, betont Brüller. Leicht habe sich der Teenager die Entscheidung pro München nicht gemacht gerade wegen ihren Freunden. „Aber dann dachte ich mir, so eine Chance kriege ich nicht nochmal und habe mich deshalb dann dafür entschieden.“

Zusammen mit Lea-Marie Schultz hat Brüller ein Doppelzimmer im Haus der Athleten (HdA) des Olympiastützpunktes Bayern (OSP) bezogen. Das HdA ist ein Internat für junge Nachwuchssportler, liegt in der Nähe zu Trainingsstätten des OSP, zu den Verbundschulen und Ausbildungsbetrieben. Die Leistungssportler werden dort pädagogisch betreut, nehmen dort Mahlzeiten ein, es gibt einen Kraftraum und großen Garten. „Es sind Volleyballer, Judoka, Schwimmer, Leichtathleten da, wir sind eine coole Gruppe“, sagt Daniel Rinderer. Als längstes Mitglied hat er im HdA ein Einzelzimmer.

„Was ich am meisten vermisse ist meine Familie“

Neue Schule, neue Umgebung, neue Leute, Großstadt und die Familie weit weg. Keine einfache Situation. Da kommt es gelegen, dass sich die Kaderspieler bereits von vielen gemeinsamen Lehrgängen in der Sportschule Oberhaching und von Turnieren kennen. „Die Schul-Klasse passt auch und die Lehrer sind okay. Was ich am meisten vermisse ist meine Familie. Mein Bruder, meine kleine Schwester, meine Eltern“, sagt Lea-Marie Schultz, die das Training mit Hannes Hörmann und Sebastian Hegenberger gerade beendet hat. Hegenberger absolviert seit September seinen Bundesfreiwilligendienst beim BTTV. Überhaupt unterstützt der Verband bei der Vermittlung von Praktika oder hilft bei Schul-Angelegenheiten. Wöchentlich stimmen sich Trainer und ihre Schützlinge ab, was Trainingszeiten und Stundenplan für die Woche angeht. Am Wochenende verschickt Verbandstrainerin Krisztina Toth einen Wochenplan an alle Trainer, Spieler und Sparringspartner raus. Der organisatorische Aufwand ist sehr hoch, weil der BTTV kein eigenes Trainingszentrum hat und die mittlerweile 14 Talente auf Hallen in Milbertshofen, Thalkirchen, Schwabhausen, Kolbermoor, Fürstenfeldbruck und Bayern München aufteilen muss. Das geht nur in Kooperation mit anderen Vereinen. Die Vorab-Planung ist das eine, das andere ist die Fahrt-Organisation. Hinkommen, wegkommen, mit öffentlichen Nahverkehr oder im Auto? Wer den Münchner Verkehr kennt, weiß, was das bedeutet.

Hallenpläne wegen Corona ungewiss

Mittlerweile haben auch Nico Longhino und Matthias Danzer die Einheit beendet. Sie wurden von Krisztina Toth, der ehemaligen ungarischen Weltklassespielerin und 7-fachen Europameisterin, eine Stunde am Balleimer getriezt. Die Verbandstrainer Toth, Hoffmann und seit März Dustin Gesinghaus kümmern sich vorrangig um das LZ München. Dass weiterhin die eigene Halle fehlt, macht vor allem auch den Trainern zu schaffen, die ständig schauen müssen, wie, wo und mit wem ein Training möglich ist. Die Pläne für ein gemeinsamen Hockey-Tischtennis-Zentrum im Münchner Norden liegen schon länger auf dem Tisch, doch dann kam die Corona-Pandemie dazwischen und die Situation bleibt weiterhin ungewiss.

Lea-Marie Schultz nimmt einen Schluck aus der Pulle, Matthias Danzer wischt sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn. „Bitte alle Bälle einsammeln“, ruft Manuel Hoffmann. Nach dem Umziehen und einem kurzen Briefing wie es mit dem Abendtraining weitergeht, verabschieden sich die LZ-Mitglieder und gehen in die Schule. Es ist 9:40 Uhr.

Ein Video vom Frühtraining finden Sie oben auf dem YouTube-Kanal des BTTV

Spenden für das Projekt „TT-Zentrum in München“ unter: www.bttv.de/spenden

Neu im LZ: Luna Brüller (Fotos: F. Leidheiser)
LZ-Pionier: Daniel Rinderer
LZ-Gruppe
Verbandstrainerin Krisztina Toth beim Balleimer-Zuspiel
Stark verbessert als LZ-Mitglied: Nico Longhino

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