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Neues aus den Vereinen  

Und dann wird es still in Bad Königshofen

TSV Bad Königshofen – TTC Neu-Ulm 2:3

Und wenn gestern Abend um viertel sieben alle Fenster und Türen der Shakehands-Arena sperrangelweit offen gestanden hätten: Gefroren hätte niemand bei diesem alles entscheidenden Schlussdoppel, das der an diesem Tag überragende Filip Zeljko und Abdel Salifou gegen die Neu-Ulmer Rechts-Linkshänder-Kombination Apolonia/Sidorenko im fünften Satz mit 10:12 verloren. Da war der Tischtennis-Gott ein Schwabe. Das Königshöfer Duo, das noch nie in einem Wettkampf zusammen gespielt hatte, entschied die ersten beiden Sätze nach Rückständen mit 11:9 und 12:10 für sich, verlor den dritten 7:11 und war im vierten bei 10:10 zwei Bällchen vom Sieg entfernt (10:12) und im fünften bei 10:10 wieder. Zeljko hatte Salifou zu einem soliden Doppel mit hoch gezogen, Apolonia in Sidorenko den besseren Partner neben sich. Den Rück-Schlag zum Match-Verlust zitterte der Königshöfer Neuzugang mit schwerer Hand ins Netz – und es wurde für einige Momente mucksmäuschenstill in der Halle. Eine völlig neue Reaktion: Die 120 Zuschauer hatten es noch nicht verkraftet, Filip und Abdel hatten die Köpfe unten, und die Neu-Ulmer zeigten eine im großen Sport nicht alltägliche, ritterliche Zurückhaltung. Sie wussten, dass sie eine halbe Minute vorher selber noch irgendwo zwischen Himmel und Hölle gehangen haben.

Sicher ist es müßig darüber zu spekulieren, was möglich gewesen wäre, wenn Kilian Ort hätte spielen können, der wegen einer OP an der Fußsohle kurzfristig passen musste. Er befand sich ja gerade in Topform. Vielleicht hätte dann ja Zeljko überhaupt nicht gespielt, der ums Haar „man of the match“ geworden wäre und mehrfach mit seinen grandiosen Auftritten im Einzel wie im Doppel daran erinnerte, was Manager Andy Albert nach seiner Vertragsverlängerung orakelte: „Er wird uns noch helfen, wir werden noch unsere Freude an ihm haben.“

Doch zunächst revanchierte sich Bastian Steger für die Niederlage, die er vor einem Jahr an selber Stelle gegen den damals noch für Ochsenhausen spielenden Sidorenko, seinerzeit 17, erlitten hatte. Es war eine kontrollierte, friedliche Explosion all seiner Fähigkeiten, die in ihm stecken. Mit insgesamt 33:9 Punkten, schön verteilt auf die drei 11:3-Sätze, fegte er den U21-Europameister vom Tisch, dem bei dieser Tischtennis-Ekstase mitunter nur Kopfschütteln und ein Über-sich-selber-Lächeln blieb.

Was also hatte Filip Zeljko gegen den Neu-Ulmer Einser Emmanuel Lebesson, den Einzel-Europameister von 2016, die Nr. 41 der Weltrangliste, zu bieten? Zeljko an 2, natürlich steckte dahinter auch taktisches Kalkül. Rechnen durfte man mit einem Sieg natürlich nicht. Doch wer von den Fans zum Einschlafen am Abend noch ein paar schöne Gedanken an den Tag haben wollte, Filip lieferte sie. Im ersten Satz spielte er voll auf Augenhöhe, unterlag 11:13. Der alte Fuchs (32) hatte vor dem Jungfuchs (22) die Nase vorn. Lebesson war klar der Bessere im zweiten Satz (4:11). Dritter Satz: 11:8 für den höchst impulsiven Mentalität-Spieler Zeljko. Vermuteter Ehrensatz. Von wegen! Da war ja noch das Publikum, das Zeljko mit ins Boot holte. Nach der Melodie von Queens „We will, we will rock you“ feuerte es ihn unermüdlich mit „Filip, Filip Zeljko“ an, wie in besten Vor-Corona-Zeiten. Ja wirklich: Der gute Filip ließ viele in der Halle und daheim am Bildschirm die Bedrängnisse dieser Zeit vergessen. Die Emotionen der Fans waren Injektionen in seine Blutbahn, Dauerinfusionen, erlaubtes Doping.

Aufgedreht wie ein Matchbox-Auto holte er sich den vierten Satz mit 11:8 und war völlig aus dem Häuschen. He, da war doch noch ein Satz zu spielen! Wie nur kann man von dieser Wolke herunter eine Minute später in einem fünften Satz landen? Unaufhaltsam davon eilend Richtung 2:0-Vorsprung für seine Mannschaft – über 8:2 zum 11:6. Es war vielleicht sein bestes Spiel in dieser Halle. Und das nach dem relativ unbedeutenden Challenger-Turnier von Mittel-Bieberach unter der Woche. Nach der Pause unterlag Abdel Salifou dem mit internationalen Titeln und Medaillen ausgezeichneten Portugiesen Tiago Apolonia in drei Sätzen. Das darf ein Salifou verlieren. Aber in der Form von vor einem Jahr, im Dress von Neu-Ulm gegen Oikawa, hätte er anders performt.

Im Einser-Duell unterlag Bastian Steger Lebesson in drei Sätzen. Dessen Niederlage gegen Zeljko hatte ihn nicht runter, sondern im Stil eines Champions hoch gezogen. Mit einer unglaublichen Vorhand-Dominanz, gefühlten 90 Prozent mit dieser Schlaghand gespielten Angriffen, entwaffnete er den Rückhand-Spezialisten Steger, den er nie zu seinem Spielplan finden ließ. Dahin war die schöne 2:0-Führung, von der jeder Eingeweihte wusste, auf welch wackligem Podest sie ruhte. Es folgte dieses epische Schlussdoppel, das der ganzen Dramatik des Spiels die Krone aufsetzte. Zwei Mal zwei Bälle, ein paar lumpige, alles entscheidende Sekunden vom Gesamtsieg entfernt und dann mit leeren Händen dastehen: Für die Königshöfer nichts Ungewohntes.

 

Ergebnisse:

Bastian Steger – Vladimir Sidorenko                       3:0
(11:3/11:3/11:3)

Filip Zeljko – Emmauel Lebesson                 3:2
(11:13/4:11/11:8/11:8/11:6)

Abdel Salifou – Tiago Apolonia                    0:3
(8:11/6:11/5:11)

Bastian Steger – Emmanuel Lebesson          0:3
(8:11/7:11/3:11)

Zeljko/Salifou – Apolonia/Sidorenko            2:3
(11:9/12:10/7:11/10:12/10:12)

Zuschauer: 120

Oberschiedsrichter: Matthias Wilhelm (Kist)

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