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Mannschaftssport Jugend   Neues aus den Vereinen  

(K)ein gewöhnliches Tischtennisspiel

Jungen Bayernliga Nordwest: TSV Brendlorenzen vs. DJK Gänheim oder: Nachwuchsförderung im Tischtennisbezirk Unterfranken-Nord

Pause muss auch mal sein: Jugendliche der Vereine TSV Brendlorenzen, DJK Gänheim, TV/DJK Hammelburg und SV Langendorf mit erwachsenen Sparringpartnern beim dreistündigen Jahresabschlusstraining an Silvester 2019. Cheftrainerin der Trainingsgruppe Westist Andrea Voigt (3.v.r. vorne).

Einerseits war das Vorrundenabschlussspiel der Jungen-Verbandsliga Bayern-Nordwest nichts besonderes.  Gastgeber Brendlorenzen beherrschte die Partie mit zwei Siegen in den Doppeln und sechs Siegen in den Einzeln. Die Gäste aus Gänheim hatten sich deutlich mehr erhofft, es letztendlich aber nur auf drei Siege in den Einzeln gebracht. Nachdem in der Schulturnhalle Brendlorenzen am Samstag, 14. Dezember auch das letzte von sechs Vorrundenspielen verloren war, müssen sie ohne Bescherung mit einem Sieg oder Unentschieden als Verbandsliga-Schlusslicht punktlos in die Weihnachtspause. Brendlorenzen hingegen geht in der Tabellenmitte ins Neue Jahr.
Und doch war es ein besonderer Tischten­niswettkampf. Denn mit Brendlorenzen und Gänheim trafen zwei von drei Mannschaften des Bezirks Unterfranken-Nord aufeinander, die in dieser Saison in der Verbandsliga Bayern-Nordwest aufschlagen (dabei ist außerdem der TSV Bad Königshofen). Bis auf eine Ausnahme trainieren alle Jugendlichen beider Teams montags in Langendorf mit­einander. Dort haben die Vereine TSV Brendlorenzen, SV Langendorf und DJK Gänheim im September das Trainingszentrum-West des Tischtennisbezirks Unterfranken-Nord in Betrieb genommen. Bad Königshofen und Langendorf sind bislang die einzigen derartigen Nachwuchszentren. Beide werden von Vereinen betrieben und obwohl sie talentierte Jugendspieler im Umkreis bis 100 km zusammenbringen, darf der Tischtennisbezirk Unterfranken-Nord, zu dem sie gehören, aufgrund der Satzung des bayerischen Tischtennisverbands dafür keine finanziellen Mittel bereitstellen. Jugendförderung ist einzig dem Verband vorbehalten und dieser konzentriert die Gelder ausschließlich auf die Nachwuchseliten, der talentierte Mittelbau bleibt außen vor.
Immerhin ist der TSV Bad Königshofen seit vergangenem Jahr als „Verbandskooperationsstützpunkt“ anerkannt und wird für die Durchführung des „BTTV-Zielspieler-Trainings“ finanziell gefördert. Dem Modell des exzellenten Einzelvereins steht in Langendorf das Konzept der Exzellenz durch Vereinskooperation entgegen. Beide Ansätze ergänzen sich, weil sie auf die beiden Archetypen der Tischtennisnachwuchsarbeit die passende Antwort geben: hier der hochklassige, tiefgliedrige und durchorganisierte Profiverein, der bis in die untersten Amateurebenen durchgreift und durch seine Strahlkraft den talentierten Nachwuchs aus der Region rekrutiert, dort das Netzwerk unterschiedlicher Amateurvereine einer Region, die ihrem talentierten Nachwuchs durch Kooperation eine Entwicklungsperspektive ermöglichen und dadurch die Abwanderungsschwelle erhöhen. Das Modell des professionalisierten Einzelvereins hat mit dem Bundesligisten aus dem Grabfeld seinen etablierten Protagonisten, das regionale Nachwuchsnetzwerk wurde in Langendorf erst jüngst aus der Taufe gehoben und muss noch „trocken hinter den Ohren werden“.
Bezirksjugendwart Stefan Scheuring hält Vereinsnetzwerke für die bestmögliche Ant­wort von Flächenregionen auf die Ausdün­nung des Nachwuchses aufgrund der Bevöl­kerungsentwicklung und des Wettbewerbs­drucks auf die Sportarten im Zeitalter medialer Ablenkung und sozialer Unverbindlich­keit. „Die Kinder zu finden und zu binden, die eine Sportart von Herzen ausüben wol­len, ist die primäre Aufgabe der örtlichen Vereine. Dabei mag auch noch das eine oder andere Verbandsprogramm helfen. Vom deutschen Tischtennisbund gibt es beispielsweise die 'Spiel-mit'-Kampagne oder die Förderung von Vereinskooperationen mit Schulen oder die überaus erfolgreichen 'mini-Meisterschaften'. Aber was kommt danach? Die Vereine sind sich selbst überlassen. Daraus resultieren Zufälligkeiten. Natürlich gibt es über ganz Bayern verteilt Exzellenzvereine des Tischtennissports, die Kinder zu finden, binden und fördern wissen. Doch die überwiegende Zahl der meist kleinen Flächenvereine tut sich mit der Herausforderung in heutiger Zeit schwer, in der sie nicht mehr von Kindern geflutet werden. Für diese Aufgabe gibt es vom Verband weder Unterstützungskonzepte noch finanzielle Mittel. Geld fließt nur, um die Crème de la crème abzuschöpfen.“
Dieser Ansatz von Nachwuchsförderung ist seit der Strukturreform des bayerischen Tischtennisverbandes im Jahr 2018 in Kraft und ist dem Bezirksjugendwart seit seinem Amtsantritt im selben Jahr ein Dorn im Auge, auch wenn er für die dahinter ste­henden Sachzwänge Verständnis zeigt. Der Geldfluss an die Verbände ist sportpolitisch auf Leistungsnachweise fixiert. Für Breiten­sportmaßnahmen gibt es vergleichsweise geringe Geldmittel, die überdies aus vielen kleinen Töpfen mit einigermaßen bürokrati­schem Aufwand geholt werden müssen. Da­mit sind die meisten kleinen Vereine über­fordert. Viele wissen gar nicht, dass es die Mittel gibt. Doch nicht nur in finanzieller Hinsicht sind die meist städtischen größeren Vereine im Vorteil, auch methodisch und personell haben sie mehr Möglichkeiten. Eine solche Verdichtung von Ressourcen wäre in Flächenregionen mit Vereinskoope­rationen durchaus erreichbar. Wenn der erste Schritt getan und die Hürde der ge­genseitigen Verständigung genommen ist, könnte der bayerische Tischtennisverband über seine Bezirke finanzielle Mittel für die regionale Vernetzung seiner Vereine bereit­stellen und dabei gerade nicht auf die Eliten schielen. Talente, die geeignet sind, Ergeb­nisse vorzuweisen und dadurch staatliche Finanzmittel zu akquirieren, hat der Ver­band schon immer bekommen, unabhängig von seiner Nachwuchsförderstrategie. Mit funktionierenden, flächendeckenden, regio­nalen Vereinsnetzwerken wären es nach Scheurings Ansicht mehr, weil ein breiterer und besser ausgebildeter Mittelbau auch mehr Elitespieler/innen hervorbrächte (siehe China). Unabhängig davon würde der Verband seiner elementaren Aufgabe gerecht, die kleinsten Glieder, von denen er getragen wird, seine Vereine bei der Erfüllung ihrer Aufgabe als Keimzellen des Tischtennissports in Bayern zu unterstützen.
Auch wenn es nach aktueller Beschlusslage noch kein Geld vom Verband gibt und dem Bezirk die Hände gebunden sind, haben der TSV Brendlorenzen, der SV Langendorf und die DJK Gänheim mit der Vernetzung schon einmal begonnen und sind mit den ersten vier Monaten intensiver und beständiger Trainingsarbeit auf fachlich hohem Niveau mehr als zufrieden. Bis zu vierzehn fortge­schrittene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der drei Vereine kommen mon­tags in der Schulturnhalle Langendorf zu­sammen, um gemeinsam Tischtennis zu ler­nen, zu schwitzen und Spaß zu haben. Lei­denschaftlich dabei sind auch zwei Spieler des TV/DJK Hammelburg, der sich jedoch als Verein noch zurückhält. Garant für die fachliche Qualität der Ausbildung ist A-Li­zenz-Trainerin Andrea Voigt. Sie hat - nach den Veränderungen beim TSV Bad Königs­hofen - die Kooperation mitbegründet, die neue Rolle verinnerlicht und treibt ihre Schützlinge - wie zuvor beim Bundesligisten - unablässig und doch feinfühlig an. Die Trainingsgruppe gliedert sich in zwei Lei-stungsbereiche, die Vereinstrainer Joachim Gößmann vom SV Langendorf und Stefan Scheuring von der DJK Gänheim fungieren als Co-Trainer und freuen sich über die auch in den Wettkämpfen deutlich sichtbare Entwicklung ihrer Jugendlichen.
Die Herkunft der Kontrahenten des samstäglichen Traingingskaderduells in Brendlorenzen verdeutlicht eindrucksvoll, wie weitmaschig das Netz leistungsstarker, regionaler Nachwuchsspieler geknüpft ist. Für den TSV Brendlorenzen schlugen auf: Konrad Haase aus Bad Kissingen, Christian Müller aus Hohenroth, Elias Burdack aus Langendorf und David Schlössinger aus Salz. Für die DJK Gänheim schlugen auf: Marco Köhl und Lucius Puchner aus Gänheim, Ulrich Schnös aus Knetzgau und Marco Pfister aus Binsbach. Im Bezirk Unterfranken-Nord hat nur der TSV Bad Königshofen Jugendliche gebündelt, die dieses und noch höheres Niveau spielen können. Die übrigen lassen sich an zehn Fingern abzählen und sind zudem auf einzelne Vereine verteilt. Interessantes Detail des Verbandsligaspieles: Brendlorenzen gewann sechs von sieben Trainingskaderderbys, Gänheim nur eines. Ihre beiden anderen Siege holten die Werntaler gegen den einzigen Jugendlichen, der nicht in Langendorf trainiert.
In seiner Funktion als Bezirksjugendwart wünscht Stefan Scheuring, dass Langendorf Schule macht, und strebt die Gründung ei­nes weiteren Trainingszentrums im Südosten des Spielbezirks an. Vereine und Spieler hat er schon im Auge. Allerdings bedarf es dazu einer gewissen Energie und die muss im wesentlichen von den Vereinen selbst kommen. Geld darf der Bezirk zur Zeit nicht geben, moderieren und assistieren sehr wohl. Und dazu ist der Bezirksjugendwart mehr als bereit.

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