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Personal/Hintergrund  

"Habe immer versucht, Tischtennis im Programm unterzubringen"

Der ehemalige BR-Redakteur Csaba Fazekas im Interview

Csaba Fazekas mit den Jubiläums-Festschriften und dem Logo 75 Jahre BTTV (Foto: F. Leidheiser)

Anlässlich des Jubiläums 75 Jahre Bayerischer Tischtennis-Verband erzählt der ehemalige BR-Redakteur Csaba Fazekas in neun Hör-Episoden aus seiner beruflichen (Tischtennis)-Zeit. Zwei Folgen sind bereits erschienen.

Im Interview spricht der 77-Jährige über das Projekt, über skurrile und emotionale Erlebnisse und seine eigene Tischtennis-Vergangenheit.

Zunächst vielen Dank, dass Sie sich für das Projekt die Zeit genommen haben. Wie war es für Sie, diese vielen Geschichten noch mal aufzurollen? 
Csaba Fazekas:
Für mich war das eigentlich keine große Sache. All die Dinge, die ich beschreibe, Vorgänge, Personen etc. habe ich zu 100 Prozent in meinem Kopf. Ich könnte Ihnen zum Beispiel von der Paris-Reise jedes Bild beschreiben. Das liegt an meinem fotografischen Gedächtnis. Ich kann vielleicht auch 3000 Tore aus der Fußball-Bundesliga beschreiben, die ich gesehen habe. Zunächst ohne Datum und Gegner-Angabe. Wenn ich das Tor dann aber noch sehe, dann weiß ich, das war das 2:1 von Müller im Pokal gegen Frankfurt. Insofern war für mich das Zusammenstellen der neun Episoden kein Problem, weil ich die Dinge parat habe. Geholfen hat mir aber sicherlich mein Tischtennis-Archiv, zum Beispiel mit vielen Programmheften. Namen und Jahreszahlen muss ich nachlesen.

Sie haben Ihr fotografisches Gedächtnis angesprochen. Ist das eigentlich mehr Fluch oder mehr Segen?
Fazekas:
Segen, ohne Zweifel! Der Philosoph Jean-Paul Sartre sagte: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Gerade von meinen Reisen habe ich seit 1971 tolle Erinnerungen und Bilder im Kopf. Aus diesem gigantischen Paradies kann ich nicht entfliehen. Aber ein fotografisches Gedächtnis hat durchaus auch Nachteile. Man sieht zum Beispiel viele Dinge, die man so lieber gar nicht sehen wollen würde oder die eigentlich uninteressant sind. Aber die positive Seite wiegt es millionenfach auf.

Neun Episoden sind entstanden, welche finden Sie rückblickend am spannendsten?
Fazekas:
Das ist ohne Zweifel die Episode 6 mit der Reise nach Paris, ganz einfach deswegen, weil Reisen mein Hobby ist. Alles, was mit Reisen zu tun hat, ist bei mir positiv besetzt und abgespeichert. Die Paris-Reise war zwar aus vielerlei Sicht nicht unbedingt erfreulich, aber Donauwörth hat am Ende knapp gewonnen. Der Sieg hat der Reise einen positiven Stempel gegeben. Für mich war das die Interessanteste meiner TT-Reisen, nicht zuletzt deshalb, weil ich damals zum ersten Mal damals in Frankreich war.

Vor dem Journalismus waren Sie Klavierbauer. Wie kam es zu dem Wechsel? Fazekas: Da muss ich länger ausholen. Der letzte Tag meiner Lehre als Klavierbauer war auch der letzte in dem Beruf. Ich bin auf einem ungarischen Internat in der Nähe von Amberg zur Schule gegangen. Meine Sprachkenntnisse reichten für eine deutsche Schule anfangs nicht aus. Das Internat war als freiheitsliebender Mensch schwierig für mich. Meine Mutter war Konzertpianistin, und da ich teilweise das Gehör von ihr habe, sollte ich nach der mittleren Reife Klavierbauer werden. In dem Beruf habe ich nie gearbeitet, ich bin aber froh, die Lehre beendet zu haben. Im Anschluss habe ich drei Jahre im Institut für Plasmaphysik in München als Mechaniker gearbeitet. Irgendwann haben mir unabhängig voneinander zwei Kollegen in kurzer Zeit ein Inserat einer Journalistenschule auf den Schreibtisch gelegt. Sie meinten, ich sei hier fehl am Platze, könne mich ausdrücken und dass dies ja was für mich wäre. Ich habe dann tatsächlich die Schule besucht, mein Volontariat absolviert und dann am 1. Mai 1969 in Freimann beim Bayerischen Rundfunk in der Abendschau angefangen. 2006 bin ich in Rente gegangen, zuvor war ich noch drei Jahre in Altersteilzeit. Es ist ein Segen, wenn man das tut, was man gerne tut.

Wie sind Sie seinerzeit eigentlich zum Tischtennis gekommen, sowohl privat als auch beruflich?
Fazekas:
Damals im Internat habe ich die Schulmeisterschaft gewonnen. Später habe ich in Weilheim gespielt, dann sind wir nach Garching gezogen. Dort habe ich die TT-Abteilung mit aufgebaut. Ich weiß noch, wie ich durch den Ort lief und Zettel an Bäume und Strommasten geklebt habe, um zur Gründungsversammlung einzuladen und um Personen anzusprechen, die uns vielleicht eine Platte zur Verfügung stellen. Die habe ich dann in das Gasthaus Neuwirt geschleppt. Es dauerte ein bisschen, bis wir eigene Gerätschaften hatten. Dann sind wir auch aufgestiegen. 1970 habe ich geheiratet, wir sind nach Trudering gezogen. Mit dem Beruf war Tischtennis nicht mehr zu vereinbaren und auch mein Körper hat nicht mehr recht mitgespielt. Da war es aus mit Tischtennis als „Leistungssport“.

Inwieweit verfolgen Sie den Tischtennis-Sport noch heute?
Fazekas:
Ehrlich gesagt nur die wichtigsten Turniere. Ich habe mich zum Beispiel über die EM-Erfolge in Warschau gefreut oder jetzt über die zwei Medaillen in Tokio. Die Bundesliga und alle Ergebnisse ziehe ich mir aber nicht rein. Da bin ich schon ein wenig abgedriftet. Die großen Veranstaltungen wie Olympia schaue ich mir an, vor allem auch wegen der TV-Produktion. Bessere Bilder, als das was aus Tokio gesendet wurde, geht fast nicht.

Worauf kam es Ihnen in Ihrer Redakteurs-Tätigkeit immer besonders an?
Fazekas:
Ich habe die Sportart geliebt und versucht, wenn es vertretbar war, sie auch im Programm unterzubringen. Das ist auch in der 8. Episode „Mein Job“ zu hören. Ich kann sagen, ich habe viel für TT getan, da darf die Frage nach der Lücke heutzutage schon gestellt werden. Zuverlässigkeit war mir sehr wichtig. Mit Unzuverlässigkeit konnte ich nicht umgehen, daher war ich bei Kollegen auch nicht immer beliebt. Generell habe ich versucht, mit viel Kreativität und Fantasie an die Sache heranzugehen.

Mal abseits vom Tischtennis, können Sie uns aus Ihrer TV-Laufbahn den emotionalsten und auch skurrilsten Moment nennen?
Fazekas:
Ich habe sicher viele Höhepunkte erlebt, der für mich emotionalste war 2000, als Unterhaching in der Fußball-Bundesliga am letzten Spieltag gegen Leverkusen gewann und die Bayern zum Meister gemacht hat. Das hat einfach kein Mensch erwartet. So eine Stimmung unter den 15.000 Zuschauern habe ich noch nicht erlebt. Ich saß in der Nähe von Leverkusens Trainer Christoph Daum und habe gesehen, wie er von Minute zu Minute regelrecht in sich zusammenbrach. Die haben einfach nicht damit gerechnet.

Das Skurrilste war eine Reise im Handball-Europapokal nach Minsk, das gegen Großwallstadt spielte. Kurz zuvor musste ich noch Druck bei der Botschaft in Köln machen, dass wir ein Visum bekommen und fliegen können. Dann ging es wieder nach München. In Riem waren wir zu spät dran, haben den Weiterflug von Wien verpasst. Noch in der Luft Richtung Wien haben wir auf eine Aeroflot-Maschine umgebucht. In der Maschine saßen wir plötzlich in der First Class bei Kaviar und Krimsekt, was ich beides nicht mag. Mein Kollege hat es sich gutgehen lassen. In Moskau dann das nächste Drama: Wegen eines Ostgipfels gab es kein freies Hotelzimmer. Wir sind dann erstmal in ein TV-Studio, unter anderem von ARD/ZDF, rausgefahren, aber auch dort konnte man uns kein Zimmer vermitteln. Plötzlich gab uns der damalige ARD-Korrespondent Gerd Ruge zwei Schlafsäcke und wir übernachteten in der Küche des TV-Studios. Ich weiß auch noch, wie es nach Wochen der Trockenheit plötzlich anfing, stark zu regnen und ein braun-grauer Schaum aus den Rohren vom Dach kroch. Ich dachte mir, was müssen die Menschen dort einatmen, wenn das so aussieht? Nach der Nacht in der Küche konnten wir uns dort Kaffee kochen und sind dann weiter nach Minsk geflogen. Ein sehr kleiner Provinzflughafen, es gab auch keine Taxis. Ein Mann in einem Lada, der kurioserweise ordentlich Deutsch sprach, hat uns nach Minsk mit reingenommen, Das Spiel lief ordentlich, Großwallstadt verlor, wir sind am nächsten Tag wieder nach Moskau zurück, wo es dann noch am Roten Platz eine Menschenmenge vor dem Lenin-Mausoleum gab. Ich hatte mich über die vielen Lichtblitze gewundert, bis ich feststellte, es waren Personen mit jeder Menge Orden, die von der Sonne reflektiert wurden. Es hat ausgesehen wie 100-fache Blitze, total unwirklich und bizarr. Die Rückreise über Wien verlief dann reibungslos. Das war rückblickend aber der skurrilste Trip.

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