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Personal/Hintergrund  

"Es ist kurz nach 12"

Hilpoltsteins Dennis Dickhardt im Interview über berufliche, private und sportliche Herausforderungen

Dennis Dickhardt am Tisch und im Cockpit eines Swiss-Air-Fliegers (Fotos: Erik Thomas/privat)

Für Dennis Dickhardt war 2020 ein Jahr der Extreme. Der 34-Jährige vom Zweitligisten TV Hilpoltstein wurde im Mai erstmals Vater, die Pandemie traf seine Branche mit voller Wucht, im Herbst riss er sich das Syndesmoseband. Und klar ist schon jetzt: 2021 wird mindestens genauso intensiv werden wie 2020. Wir haben mit dem Bayerischen Meister von 2016, der mit der Familie in Frankfurt/Main wohnt, über seine aktuelle Situation gesprochen, übers Papa-Sein und über seine Zukunft beim TV Hip.

Die Amateursportler schauen derzeit in die Röhre, Profis können ihren Sport ausüben. Du bist als Zweitligaspieler im semiprofessionellen Bereich unterwegs. Wie sehr fehlt dir persönlich Tischtennis?
Dennis Dickhardt:
Ich vermisse es schon sehr. Gerade auch was den Anreiz und die Auslastung angeht. Aber die Hallen sind zu, es gibt gar keine Möglichkeit zu trainieren. Stattdessen gehe ich vier- bis fünfmal pro Woche laufen.

Dann bist du zumindest fit.
Dickhardt:
Ja das schon. Im Herbst bin ich beim Laufen umgeknickt, habe mir einen Riss des Syndesmosebandes zugezogen. Ich wurde in München in der Schön-Klinik in Harlaching operiert, wo auch schon Franck Ribery war und die Spieler von Eintracht Frankfurt hingehen. Über die Eintracht kam auch der Kontakt dorthin zustande. Nach der OP bin ich acht Wochen an Krücken gegangen. So gesehen kam die Verletzung während des Lockdowns zur rechten Zeit.

Der Plan des DTTB soll dem Vernehmen nach sein, dass zumindest die Bundesligen zu Ende spielen sollten. Wie ist deine Meinung?
Dickhardt:
Im Grunde fände ich es schon schön, wenn die Saison zu Ende gespielt wird. Aber es würde überhaupt keinen Sinn machen, die Saison zum Beispiel eine Woche nach Öffnung weiterzuführen. Man kann das mit der Sommervorbereitung vergleichen, wo man anderthalb Monate braucht, um in Form zu kommen. Wir sind in einer semiprofessionellen Liga, und viele haben seit Wochen gar keinen Schläger mehr in der Hand gehabt. Ich würde wohl eher für einen klaren Cut plädieren.

Du bist im Mai erstmals Vater geworden. Wie hat sich dein Leben verändert?
Dickhardt:
Die Prioritäten haben sich total verschoben. Es dreht sich jetzt fast alles um die Kleine, und es ist superschön zu erleben, wie sie sich entwickelt. Wenn ich mal beruflich eine Woche unterwegs bin und dann wiederkomme, merkt man das besonders.

Beruf ist ein gutes Stichwort. Die Pandemie trifft vor allem auch deine Branche. Wie sieht deine aktuelle berufliche Situation aus bei der Lufthansa-Tochter Swiss Air und was sind deine Aufgaben?
Dickhardt: Es ist eine schwierige Situation und eher kurz nach als kurz vor 12. Die Unsicherheit ist sehr groß. Auf meinem Flieger herrscht noch Normalbetrieb, weil ich sehr viel Fracht fliege und in dem Flieger viel Platz im Rumpf ist. Ich war kürzlich in Chile und Brasilien, transportiere Obst, Gemüse, Hilfsgüter und auch Impfstoffe. Nächste Woche geht es nach San Francisco. Wenn ich nicht fliege, arbeite ich von Frankfurt aus im Home Office. Ich bin verantwortlich für ein Team von 80 Piloten.
Es gibt Kollegen, die sind seit März nicht mehr geflogen.

Was denkst du, wenn du die Medienberichte über den verspäteten Flug des FC Bayern nach Katar liest?
Dickhardt:
Ich hoffe, Herr Rummenigge ist von den Medien falsch zitiert worden. Wenn er das wirklich ernst meint, dann ist das lächerlich bei den Problemen, die aktuell auf der Welt herrschen. Die Regeln gelten nun mal für alle. Es dürfte für die Bayern-Spieler doch kein Problem sein, mal 5 Stunden im Flugzeug zu schlafen, zumal es ja nicht die Holzklasse ist.

Du hast deinen langjährigen Teamkollegen Alex Flemming kürzlich zum Clickball-Turnier nach England begleitet und ihn zum Sieg gecoacht. Wie kam das zustande und wie hoch fiel deine Sieg-Prämie aus?
Dickhardt:
Ich krieg' eine Halbe (lacht). Wir haben neulich schon am Telefon geflachst, ob ich nicht zum Clickball-Trainer umschulen soll. "Axel" ist ein guter Freund, ich war mit ihm schon im vergangenen Jahr bei der WM und bin immer gerne dabei. Das Masters ist relativ kurzfristig organisiert worden, er hat mich gefragt, ob ich mitkommen möchte. Da ich das mit den Flügen relativ schnell lösen kann, bin ich gerne mit. Es war ein tolles Event in der Bubble. Mit Zuschauern wäre das noch natürlich noch mal eine andere Stimmung gewesen.

Du bist 10 Jahre in Hip, gehörst wie Alex praktisch zum Inventar. Als Familienvater mit einem zeitaufwendigen Job, wie lang kann es dort noch gehen?
Dickhardt:
Gute Frage, ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Wir hatten kürzlich mit den Spielern und dem Verein einen telefonischen Austausch und in dieser Woche noch mal einen, dann fällt die Entscheidung.

Stehen die Zeichen auf Abschied?
Dickhardt:
In so einer Situation aufzuhören ist schon irgendwo bitter. Allerdings gibt es den richtigen Moment zum Aufhören in meinen Augen nicht. Mit Alex spiele ich schon 15 Jahre zusammen, davon zehn in Hilpoltstein. Der Verein mit seiner besonderen Atmosphäre ist mir ans Herz gewachsen. Aber Fakt ist auch, lange kann ich das nicht mehr stemmen. Ich habe auch einen Anspruch an mich, wenn ich für den Verein spiele. Als Nummer drei in der 2. Liga muss ich schon 60-70 Prozent meiner Spiele gewinnen, um der Mannschaft zu helfen. Da braucht es drei- bis viermal pro Woche Training. Der Aufwand ist enorm. Zudem wird dieses und nächstes Jahr für mich persönlich sehr herausfordernd werden, mit dem Job, der Familie und einigen Entscheidungen, die zu fällen sind.

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