Kaderlehrgang, Top 12, WTT Youth Contender – Krisztina Toth, die leitende Verbandstrainerin des BTTV, hat hochintensive Wochen hinter sich. In den Faschingslehrgang leitete die 50-Jährige, frühere Europameisterin, den sechstägigen Lehrgang des BTTV-Kaders in der Sportschule Oberhaching; von dort ging es für sie zusammen mit einigen Schützlingen und Trainerkollegen direkt weiter zum Top-12-Bundesranglistenturnier der Jugend 15 und 19 in Mülheim-Kärlich (Rheinland-Pfalz), bei dem der BTTV als teilnehmerstärkster Landesverband mit zwei Titeln und zwei Bronzemedaillen auch der erfolgreichste war. Doch statt zu feiern und zu regenerieren, ging es erneut schnurstracks weiter zum nächsten Wettkampf: dem WTT Youth Contender Berlin, an dem Bayern nicht nur im DTTB-Team vertreten war, sondern auch mit einer eigenen Nachwuchs-Delegation unter Toths sportlicher und organisatorischer Leitung.
bttv.de: Hand aufs Herz, wie stressig waren diese zwei Wochen für dich? Konntest du deinen Akku inzwischen schon wieder etwas aufladen?
Krisztina Toth: Das war mental und körperlich ein ausgesprochen intensives und forderndes Programm – für die Spieler, aber auch für uns Trainer. Denn wir tragen Verantwortung, nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Schützlinge und – in meinem Fall – zudem für meine überwiegend noch sehr jungen Trainerkollegen.
Ich bin mit dieser Herausforderung genauso umgegangen wie früher in meiner aktiven Zeit als Hochleistungssportlerin – und so, wie ich es heute auch meinen Spielern vermittle: Belastungen im Vorfeld und während eines Lehrgangs oder Wettkampfs bewusst zu steuern, gezielt zu regenerieren und auf sich zu achten, ist entscheidend – nicht nur für die Athleten, sondern auch für uns Trainer.
Dazu gehört zum Beispiel ausreichend Schlaf, eine bewusste Pausengestaltung etwa mit Spaziergängen an der frischen Luft – oder in längeren Pausen auch mal ganz Abstand vom Tischtennis zu gewinnen, wie wir es in Berlin bspw. mit einem Stadtbesuch gemacht haben. Dass ich als frühere Leistungssportlerin gelernt habe, mit solchen Situationen umzugehen, hilft mir enorm, ein so dichtes und kräftezehrendes Programm zu bewältigen.i
Ein paar Tage Urlaub im direkten Anschluss wären natürlich trotzdem schön gewesen – im Trainerberuf ist das aber nur selten drin. Das würde auf Kosten der Spieler und Trainerkollegen gehen. Das Training – in meinem Fall an unserem BTTV-Leistungszentrum in München – kann schließlich nicht einfach ausfallen.
bttv.de: Kaderlehrgang, nationales Turnier, internationales Turnier: Worin lagen die jeweils spezifischen organisatorischen und sportlichen Herausforderungen bei deiner Arbeit?
Krisztina Toth: Bei unserem Faschingslehrgang bestand die besondere Herausforderung, wie schon erwähnt, u. a. darin, die Trainingsbelastung speziell für diejenigen Lehrgangsteilnehmer, die anschließend direkt von Oberhaching zum Top 12 und von dort teilweise auch wieder direkt weiter nach Berlin zum WTT Contender gereist sind, optimal zu steuern, um jeweils auf den Punkt Topleistung bringen zu können. Das ist uns in der Vergangenheit meist gut gelungen, und – wie die Ergebnisse beim Top 12 zeigen – auch diesmal. Es ist aber immer ein bisschen „Toto Lotto“, sehr individuell und auch nicht einfach damit getan, die Spieler einfach die eine oder andere Trainingseinheit aussetzen zu lassen. Es galt, individuelle, abwechslungsreiche Trainingsreize zu setzen. Jonas Rinderer hat im Rahmen des Lehrgangs bspw. eine Einheit mit Spinside-Messungen für ein Videoprojekt von Honorartrainer Christian Joch absolviert. Außerdem haben wir besonders darauf geachtet, dass die Jungs und Mädels ausreichend Schlaf bekommen und die Bettruhe früher angesetzt, das Schwimmbad zur aktiven Regeneration genutzt usw.
Nationale Turniere wie das Top 12 sind für Trainer wie Spieler schon Routine, die Abläufe sind grundsätzlich immer gleich und bekannt. Wir waren – wie fast immer – mit einer sehr großen Gruppe vertreten. Das ist natürlich schön, stellt in Verbindung mit den jeweiligen örtlichen Bedingungen aber auch einen umso größeren organisatorischen Aufwand dar. Wo kann man mit mehreren PKWs und dem BTTV-Kleinbus, der für die meisten Tiefgaragen zu hoch ist, nahe an Halle bzw. Hotel parken? Wo können wir am Freitag- und Samstagabend mit 20/25 Leuten essen gehen?
Sportlich geht es für uns Trainer natürlich vorrangig darum, die Spieler vor und während ihrer Spiele optimal zu betreuen. Wir erstellen im Vorfeld natürlich Pläne, wer wann wen an welchem Tisch betreut. Problematisch wird es, wenn der Zeitplan und damit auch unser Einsatzplan durcheinandergerät. Da kann es – auch wenn wir immer sehr viele Coaches dabei haben, aber auch aus finanziellen Gründen halt nicht im Verhältnis 1:1 – in Ausnahmefällen schon mal passieren, dass ein Spieler auch mal einen halben Satz ohne Betreuer an der Box auskommen muss, wofür die Spieler aber auch Verständnis haben und damit umgehen können.
An einem WTT-Turnier nimmt man als DTTB-Landesverband dagegen nicht alle Tage teil, für einige unserer Spieler und Trainer war es eine Premiere. Dass wir als BTTV diese Gelegenheit – wie auch einige weitere DTTB-Mitgliedsverbände – wahrgenommen haben, kam bei Spielern, Trainern und Eltern sehr gut an. Der Orga-Aufwand war im Vorfeld unglaublich hoch: Da mussten wir vorab alle Kinder bei der ITTF noch mal registrieren mit Passbildern, 18-seitiger Dokumentation und so weiter. Bei der Koordination von An- und Abreise, die anders als etwa beim Top 12 grüppchenweise an unterschiedlichen Tagen erfolgen musste, haben uns die Eltern stark unterstützt. Da die Kinder beim WTT nicht alle zur etwa gleichen Zeit spielen und mitunter größere Pausen zwischen ihren Einsätzen haben, gab es für uns Trainer vor Ort viel zwischen Einspielhalle, Wettkampfhalle, Hotel etc. zu lotsen und koordinieren: Wer spielt sich wann mit wem ein? Wer geht wann vom Hotel, das zum Glück nur 10 Gehminuten entfernt war, in die Halle und umgekehrt? Wer geht wann und wo zum Essen etc.
bttv.de: Internationale Erfahrung zu sammeln, gilt als besonders wichtig und wertvoll für die Entwicklung junger Leistungssportler. Warum ist das eigentlich so? Was zeichnet internationale Wettkämpfe im Vergleich zu nationalen aus? Und wie wichtig ist der Besuch internationaler Wettkämpfe auch für die Trainer?
Krisztina Toth: Sportlich gesehen liegt der große Wert internationaler Wettkämpfe nicht zuletzt in der Vielfalt etwa der Spielstile, taktischen Herangehensweisen, Materialien, aber auch in der Mentalität. In Berlin etwa waren viele Spieler aus Indien dabei, die häufig mit Material spielen, außerdem deutlich mehr Abwehrspieler, als wir sie aus dem nationalen Bereich kennen. Das ist für unsere Talente oft Neuland – und genau deshalb so wertvoll.
Auch die Coachingkultur unterscheidet sich stark: Die Chinesen zum Beispiel treten mit großer Strenge und Disziplin auf, bei den Indern geht es emotionaler zu – sie coachen während der Spiele permanent und sehr lautstark. Große Unterschiede konnte man auch beim Aufwärmen und Einspielen, bei Teambesprechungen, beim Anfeuern und, und, und beobachten. Das alles bekommt man so nur mit, wenn man mittendrin dabei ist. Für Spieler wie Trainer ist das eine wichtige Schule, um die eigene Arbeit zu reflektieren und den eigenen Leistungsstand realistisch einzuschätzen.
Gerade das ist ein zentraler Punkt: Im nationalen Vergleich zählen viele unserer Spieler zur Spitze. International merken sie schnell, wie hoch die Messlatte wirklich liegt – auch, weil in vielen Ländern deutlich mehr und strukturierter trainiert wird, oft in Internatsstrukturen. Das zu erleben, kann ein starker Antrieb sein, noch konsequenter zu arbeiten – für Spieler und Trainer.
BTTV.de: Zu guter Letzt: Was waren deine persönlichen Highlights, Erlebnisse und Erfahrungen auf den drei Etappen?
Krisztina Toth: Rein sportlich war natürlich das tolle Abschneiden beim Top 12 – mit den Turniersiegen von Jonas Rinderer und Eva Gao an der Spitze. Auch der zweite Platz von Melissa Bill bei den Mädchen U13 in Berlin war ein echter Lichtblick in einem ansonsten erwartungsgemäß schwierigen internationalen Feld.
Berlin war aber nicht nur sportlich besonders. Anders als sonst hatten wir dort Gelegenheit, als Team auch abseits der Halle Zeit miteinander zu verbringen. Bei einem gemeinsamen georgischen Abendessen etwa – für viele eine kulinarische Premiere – konnten wir uns ganz anders kennenlernen, persönliche Gespräche führen, lachen, diskutieren. Das hat unser ohnehin gutes Miteinander noch weiter gestärkt.
Was mir zudem sehr positiv in Erinnerung blieb und mich für die Zukunft positiv stimmt, war die Einstellung meiner Trainerkollegen. Viele von ihnen sind noch sehr jung, haben aber mit großem Engagement und Offenheit gearbeitet. Sie haben ihre WTT-Teilnahme nicht als Bühne zur großen Selbstdarstellung begriffen, sondern als Chance, sich auch selbst weiterzubilden. Die Bereitschaft, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen, war absolut top.